Letzte Aktualisierung: Juni 2018

Der privatrechtliche Schutz der Persönlichkeit gegen Verletzungen ist in Art. 27 ZGB und Art. 28 ZGB geregelt. Art. 27 ZGB schützt vor übermässigen vertraglichen Bindungen, welche die wirtschaftliche Freiheit, z.B. eines Sportlers in Verbandsbestimmungen übermässig einschränken (vgl. BGE 138 III 322, im sog. "FIFA Entscheid" schützte das Bundesgericht den klagenden Fussballer und hielt fest, die Vereinsstrafe sei deshalb unzulässig, weil sie einen schwerwiegenden, nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Persönlichkeit des Beschwerdeführers bedeute).

Wer ausservertraglich in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen (Art. 28 Abs. 1 ZGB). Widerrechtlich ist eine Verletzung, wenn sie nicht durch Einwilligung des Verletzten, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt ist (Abs. 2). Vom Gesetzeswortlaut her ist jede Persönlichkeitsverletzung widerrechtlich, wenn kein Rechtfertigungsgrund vorliegt. Praxisgemäss ist in zwei Schritten zu prüfen, ob a) eine Persönlichkeitsverletzung und b) ein Rechtfertigungsgrund vorliegt (vgl. auch BGer 5A_57/2010BGE 126 III 305 E. 4a; BGE 127 III 481 E. 2c). Siehe auch Kapitel Haftung und Rechtsdurchsetzung.

Die Leistungsfähigkeit und Allgegenwart der modernen Technik, vor allem der Datenverarbeitung, führt dazu, dass der einzelne Mensch immer leichter und häufiger Eingriffen in seine Persönlichkeit ausgesetzt ist. Gleichzeitig und teilweise als Folge dieser Entwicklung wird die Durchsetzung der Rechte der Verletzten immer schwieriger und das Machtgefälle zwischen Tätern und Betroffenen immer grösser.

Träger

Träger von Persönlichkeitsrechten können natürliche und juristische Personen und Rechtsgemeinschaften sein, sofern das Rechtsgut nicht an die natürlichen Eigenschaften eines Menschen geknüpft ist (Art. 53 ZGB). Auch einzelne Behördenmitglieder und Beamte können sich auf den privat- und strafrechtlichen Ruf- und Ehrenschutz berufen (dazu im Kapitel Bashing und Outing, Kritik ja, Personenbashing nein).

Schutzbereiche

Der Begriff der “Persönlichkeit” im Sinne von Art. 28 ZGB/Zivilgesetzbuch umfasst sämtliche individuellen und sozialen Ausprägungen, Anlagen und elementaren Ansprüche eines Menschen, sein unangreifbares Wesen, seine Würde und sein Selbstbestimmungsrecht. Der Kern der Persönlichkeitsrechte ist unverzichtbar, jedoch sind viele Persönlichkeitsrechte auch kommerzialisier- und verhandelbar (vgl. BGE 136 III 401 betreffend das Recht am eigenen Bild im Zusammenhang mit einer vertraglich vereinbarten Veröffentlichung von erotischen Fotos im Internet, dazu auch Kapitel Vertiefung Vertragsrecht).

Folgende Schutzbereiche können unterschieden werden:

  • Der physische Schutzbereich (körperliche Unversehrtheit, Recht auf körperliches und sexuelles Selbstbestimmungsrecht, Bewegungsfreiheit),
  • Der psychische Schutzbereich (Recht auf Privatsphäre, Recht auf Rücksichtnahme gegenüber Nahestehenden, Schutz der Pietät von Betroffenen und Mitbetroffenen),
  • Der soziale Schutzbereich (Schutz der Ehre und des Rufes, Recht auf Richtigkeit in der Zeit, Recht auf Vergessen, Recht auf Schutz der Identifikationsmerkmale, Namensschutz usw.)
  • Der Schutz des Selbstbestimmungsrecht bei der Bearbeitung von personenbezogenen Daten (Recht am eigenen Wort, Recht am eigenen Bild, Recht an der eigenen Stimme, Recht an der eigenen Prominenz, Recht auf Abschreibung von falsch zugeordneten Daten usw.)

Im Zusammenhang mit Ehre und Ruf ist zwischen Tatsachenurteil und Werturteil zu unterscheiden. Eine falsche Tatsachenbehauptung ist immer widerrechtlich, es sei denn es handle sich um eine Belanglosigkeit. Eine Wertung ist dann ehrverletzend und/oder rufschädigend, wenn sie "den Rahmen des Haltbaren sprengt bzw. auf einen tatsächlich nicht gegebenen Sachverhalt schliessen lässt oder der betroffenen Person jede Menschen- oder Personenehre streitig macht" (BGE 5A/82/2012). Diesem Entscheid lag folgender Sachverhalt zugrunde: Auf einer Webseite wurden Äusserungen eines SVP Politikers an einer Kundgebung dem Tatbestand "Verbaler Rassismus" zugeordnet bzw. mit "Verbaler Rassismus" kommentiert. Das Bundesgericht führt aus: "Die Beschwerdeführerin hat die Äusserungen des Beschwerdegegners der Rubrik "Verbaler Rassismus" zugeordnet und mit dem Begriff "Verbaler Rassismus" kommentiert. Es handelt sich dabei um ein gemischtes Werturteil. Es enthält einen Sachbehauptungskern und gleichzeitig eine Wertung. Um den Sachbehauptungskern zu ergründen, muss geprüft werden, ob die Äusserungen des Beschwerdegegners rassistisch waren."

Eingriff ist Verletzung

Im Grundsatz kann jedes irgendwie geartete menschliche Verhalten einen Eingriff in Persönlichkeitsrechte bedeuten (vgl. zum Begriff der Verletzung: BGE 120 II 369 E. 2; BGer 5A_163/2009 vom 31. März 2010 E. 3.1). Im Falle privatdetektivlicher Observation kann der Anspruch auf Schutz der Geheim- und der Privatsphäre betroffen sein (zit. Urteil BGer 5C.187/1997 E. 2a), aber auch - soweit das Ergebnis der Observation in Film oder Fotografie festgehalten wird - das Recht am eigenen Bild. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist die Verletzung des Rechts am eigenen Bild bereits zu bejahen, wenn jemand ohne Zustimmung um seiner Person willen fotografiert oder eine bestehende Aufnahme ohne seine Einwilligung veröffentlicht wird (BGE 127 III 481 E. 3a/aa; BGE 129 III 715 E. 4.1), wobei es Fälle geben kann, in denen eine Einwilligung nicht unbedingt erforderlich ist (vgl.  BGE 136 III 401 E. 5.2.2). Vorausgesetzt ist, dass die abgebildete Person für Dritte erkennbar, also identifizierbar ist. 

Tipps:

  • Einträge auf Facebook sind nicht ohne Weiteres "privat" (vgl. Obergericht ZH, welche einen jungen Mann verurteilte, der seine Facebook-Freunde bedroht hatte, Tages-Anzeiger Online vom 26.11.2013).

Rechtfertigungsgründe

Eine Verletzung der Persönlichkeit ist widerrechtlich, wenn sie nicht durch Einwilligung des Verletzten, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch das Gesetz gerechtfertigt ist (Art. 28 Abs. 2 ZGB). Geht es um die Berichterstattung in den Medien, hat der Richter das Interesse des Betroffenen auf Unversehrtheit seiner Person sorgfältig gegen dasjenige der Medien an der Erfüllung des Informationsauftrags, insbesondere des Wächteramts, abzuwägen (Anmerkung: In der kommerziellen Kommunikation braucht es immer die Einwilligung). Bei der Interessengüterabwägung in der redaktionellen Kommunikation, aber auch in der freien “quasi-privaten” Kommunikation - in Comunities und social media - steht dem Richter ein gewisses Ermessen zu. Die Rechtfertigung der Persönlichkeitsverletzung kann stets nur soweit reichen, als ein überwiegendes Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit oder eines bestimmten Segmentes der Öffentlichkeit besteht. Wobei das Interesse einer grossen Öffentlichkeit nicht mit dem öffentlichen Interesse gleichgesetzt werden darf (vgl. Stellungnahme Presserat Nr. 62/2002 vom 05.12.2002 betreffend die Privatsphäre öffentlicher Personen / Informationshonorare; Borer-Fielding / «Blick» / «Sonntagsblick»).

Das Bundesgericht hat im Zusammenhang mit politischen Auseinandersetzungen in Übereinstimmungen mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) wiederholt bestätigt, dass im politischen Diskurs zwar ein grosser (grösserer) Spielraum für Zuspitzungen bestehe, jedoch sind eigentliche Ehrverletzungen nicht zulässig. Eine solche ist nur zurückhaltend anzunehmen, herablassende Äusserungen genügen nicht. Eine Ehrverletzung kann auch im Gesamtkontext, z.B. durch entsprechende Illustration entstehen. Dabei sind sowohl Text, Fotos als auch die grafische Darstellung von Belang (siehe dazu Entscheid des Bundesgerichts vom 16.09.2011 betreffend „Comme un parfum des années 1930“, BGE 6B_143/2011in sic! 1/2012 S.18ff., EGMR vom 26.06.2012 Nr. 12484/05, ref. Medialex 3/12/146). Auch auf der (zivilrechtlichen) Ebene der Persönlichkeitsverletzung müssen sich Politiker und andere Personen der Zeitgeschichte mehr gefallen lassen als Otto Normalverbraucher. So hat das Obergericht des Kantons Aargau im Entscheid vom 19.06.2012 (ZOR.2012.48/AK/rb) die Nacktdarstellung von Daniel Vasella und anderen Bankern nicht als krass herabsetzend qualifiziert, sondern als satirische Darstellung durchgehen lassen (siehe dazu auch medialex 3/12/171, Aargauer Zeitung Online). Anders das Bundesgericht in 5A_888/2011: "Das öffentliche Interesse an einer Diskussion über Fragen des Tierschutzes und dadurch an einer Sensibilisierung weiter Bevölkerungsschichten für Fragen des Tierschutzes ist ohne weiteres anzuerkennen, wie das die Beschwerdeführer richtig hervorheben und belegen, vermag aber die auf die Arbeit der Beschwerdegegnerin und ihre Person fokussierte Kritik, die in eine regelrechte Hetzkampagne ausgeartet ist, nicht zu rechtfertigen."

In der rechtlichen Würdigung von Alltagskommunikation ist das Empfinden des Durchschnittskonsumenten massgebend: Für die Beurteilung des Eingriffs in die Persönlichkeit, dessen Schwere und der Frage, welche Aussagen dem Gesamtzusammenhang einer konkreten Publikation zu entnehmen sind, muss auf den Wahrnehmungshorizont des Durchschnittslesers abgestellt werden (BGE 129 III 529 E. 3; BGE 127 III 481 E. 2c; BGE 126 III 209 E. 3a und E. 4a).Ob das Ansehen durch eine Darstellungen in Wort und Bild geschmälert worden ist, beurteilt sich nicht nach dem subjektiven Empfinden der betroffenen Person, sondern nach einem objektiven Massstab. "Massgebend für die Beurteilung der Persönlichkeitsverletzung ist die Bedeutung der einzelnen Aussage, die ihr vom Durchschnittsleser im Gesamtzusammenhang beigemessen wird. Ein Text ist deshalb nicht nur anhand der verwendeten Ausdrücke je für sich allein genommen zu würdigen, sondern nach dem allgemeinen Sinn, der sich aus dem Text als Ganzes ergibt unter Berücksichtigung der besonderen Wirkung von Titeln und Untertiteln, der grafischen Gestaltung und der beigefügten Bilder" (Bundesgericht vom 22.06.2012 5A_888/2011, "TV-Moderatorin" mit weiteren Verweisen)

Die Würdigung des Einzelfalles kommt auch in der EMRK-Praxis zum Ausdruck: So stand beispielsweise die Offenlegung der Drogensucht eines Topmodels, das sich selber in der Öffentlichkeit mehrfach als "sauber" präsentiert hatte, im öffentlichen Interesse und wurde daher grundsätzlich als zulässig qualifiziert (CASE OF CAMPBELL v. THE UNITED KINGDOM No. 13590/88). Das bedeutete allerdings nicht, dass die Berichterstattung beliebig mit Details und Bildmaterial garniert werden durfte. Insbesondere eine heimliche Aufnahme in einer Selbsttherapie-Gruppe und Veröffentlichung dieser Aufnahme kann eine widerrechtliche Persönlichkeitsverletzung darstellen. Es kommt im Einzelfall auch auf die Form der Berichterstattung an. Denn: Wegen der Perpetuierung (dazu in Kapitel Was sind 'neue Medien') und damit jederzeitigen "Verfügbarmachen" der Person und des Kontextes der Aufnahme wird auch ein stärkeres Eindringen in die Persönlichkeitsrechte der Abgebildeten bewirkt. Im gleichen Sinn hat das Bundesgericht in 6B_143/2011 entschieden: "Dabei sind sowohl Text, Fotos, als auch die grafische Darstellung von Belang (Aussagekraft des Titels, Schriftgrösse)." (vgl. auch sic!1/2012, S.18). Zwar hat der EGMR bisweilen die liberalere Haltung als das Schweizer Bundesgericht; das Gericht warnt vor dem Abschreckungseffekt („chilling effect“), den Urteile auf die Medienschaffenden haben könnten. Dennoch wägt es in jedem Einzelfall die kollidierenden Interessen sorgfältig gegeneinander ab, wie die "Campbell"-Entscheidung zeigt (vgl. EGMR: CASE OF CAMPBELL v. THE UNITED KINGDOM No. 13590/88).  

Das Spannungsfeld zwischen Medienfreiheit und Persönlichkeitsschutz geht auch aus der Spruchpraxis des Schweizerischen Presserats hervor. Obwohl dieser unter medienethischen Grundsätzen urteilt, sind seine Stellungnahmen vielfach auch unter rechtlichen Gesichtspunkten relevant. Bei der Beurteilung des Massstabes der Sorgfalt würden Richter auf diese medienethischen Leitplanken abstellen.

Tipp: Die berufsethische Praxis ist vorzüglich aufbereitet auf www.presserat.ch -> Stellungnahmen des Presserates; weiterführende Literatur: öffentlichen Medienrecht (F. Zeller, Universität Bern).

Beispiel: Persönlichkeitsrecht höher gewichtet als Medienfreiheit / Satire. 
Hörtipp: Titanic und der Papst (einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 10.07.2012), Beitrag Radio Argovia vom 11.07.2012 mit Interview mit Bruno Glaus.

Lizenzierbare Persönlichkeitsrechte

Viele Persönlichkeitsrechte sind lizenzierbar, auch kommerzialisierbar. Dies hat das Bundesgericht im Entscheid BGE 136 III 401 betreffend das Recht am eigenen Bild im Zusammenhang mit einer vertraglich vereinbarten Veröffentlichung von erotischen Fotos im Internet bestätigt. Ein Totalverzicht auf ein Persönlichkeitsrecht ist allerdings nicht möglich. Man kann lediglich, aber immerhin weitgehend, auf die Geltendmachung verzichten. Wenn Persönlichkeitsrechte handelbar sind, müssen die Ansprüche daraus auch vererbbar sein. Leider hält die Bundesgerichtspraxis mit dieser internationalen Entwicklung noch nicht Schritt. Das Bundesgericht lehnt einen generellen postmortalen Persönlichkeitsschutz weiterhin ab, obwohl diese Praxis wiederholt und fundiert kritisiert wurde.

Datenschutz konkretisiert Persönlichkeitsschutz

Die Datenschutzgesetzgebung – im Bund das Datenschutzgesetz – kommt auch auf die Kommunikation und alle Arten von Medien zur Anwendung (BGE 127 III 481). Gemäss Art. 4 f. DSG (Datenschutzgesetz) müssen Daten rechtmässig beschafft werden, sie müssen richtig sein, sie dürfen nur zum angegebenen oder vereinbarten Zweck verwendet werden und sie dürfen nicht unverhältnismässig bearbeitet werden. Bei besonders schützenswerten Personendaten im Sinne von Art. 3 lit. c DSG muss ein besonders strenges Mass an mögliche Rechtsfertigungsgründe angelegt werden.

Personendaten (d.h. "Daten" im Sinne des Datenschutzgesetzes) sind alle Angaben, die sich auf eine bestimmte oder bestimmbare Person beziehen (Art. 3 lit. a DSG). Bei diesen Informationen kann es sich sowohl um Tatsachenfeststellungen als auch um Werturteile handeln. Unerheblich ist, in welcher Form die Informationen auftreten (etwa als Zeichen, Wort, Bild, Ton oder eine Kombination davon) und wie der Datenträger beschaffen ist. Entscheidend ist, dass sich die Angaben einer oder mehreren Personen zuordnen lassen (BGE 136 II 508 ff.). So gesehen sind auch Zitate in den Medien “Daten” im Sinne des Datenschutzgesetzes. Und dieses schützt gegen falsches Zitieren.

Der Datenschutz und Art. 28 ZGB können alternativ angewendet werden, jedenfalls berief sich das Amtsgericht Luzern-Land in seinem Entscheid vom 26.11.2010 auf BGE 127 III 481.

Lesetipp: "Mit Datenschutz gegen falsche Zitate" (von Bruno Glaus, erschienen in: "NZZ" vom 09.02.1997); Peter Studer, Datenschutz im Medienbereich, in: DATENSCHUTZ, Hrsg. Passadelis/Thür/Rosenthal (erscheint demnächst); Urteil Amtsgericht Luzern-Land vom 29.11.2010: SDA-Mitteilung vom 21.01.2011; medialex 1/11, S.22-27

Reformierungsprozesse im Gange

Wirksamer Datenschutz kann letztlich nur auf internationaler Ebene geregelt werden. Die EU reformiert zurzeit (2012 ff.) das Datenschutzrecht. Sie plant insbesondere, die Privatsphäre der Internetnutzer besser zu schützen. Es soll nicht mehr erlaubt sein, ohne explizites „ok“ persönliche Daten zu speichern (opt-in-Prinzip gegenüber dem heutigen opt-out-Grundsatz). Bei Personen unter 18 müssten nach Auffassung einiger Datenschutzbeauftragten die Eltern explizit einwilligen. Davon wären auch Social-Media-Dienste wie Facebook betroffen (siehe NZZ vom 28.01.2012, S.15).

Vorgesehen ist in den Entwürfen auch das Geheimhaltungsprinzip. Internetbasierte Dienste müssen mit Datenschutz-Standard-Einstellungen gewährleisten, dass die Nutzerdaten nicht öffentlich werden. Und schliesslich wird über ein „Recht auf Vergessen“ diskutiert. Der Begriff ist irreführend. Vergessen ist unmöglich. Es geht um ein „Recht auf Nicht-Weiter-Verbreitung“. Allenfalls können Personen in Zukunft vom Datenbearbeiter eine sofortige „Löschung“ der eigenen Daten verlangen. Die Beseitigung der Daten soll sich auch auf Suchmaschinen erstrecken. Wünschbar wäre, dass die Datenschutzbehörden selbst wirksame Interventionsmöglichkeiten gegen Datenbearbeiter hätten, weil der Kampf eines einzelnen gegen den Riesen mehr als ein David gegen Goliath-Spiel ist.

Tipps: Webseite des eidg. Datenschutzbeauftragten (edoeb.admin.ch); thinkdata.chLehrmittel "Elementare Datensicherheit" für 16-19 Jährige des eidg. Datenschutzbeauftragten

Rechtssprechung

Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (Entscheid BGer 5A_57/2010 vom 2.7.2010) ist die Verletzung des Rechts am eigenen Bild bereits zu bejahen, wenn jemand ohne Zustimmung um seiner Person willen fotografiert oder eine bestehende Aufnahme ohne seine Einwilligung veröffentlicht wird (BGE 127 III 481BGE 129 III 715). Vorausgesetzt ist, dass die abgebildete Person für Dritte erkennbar, also identifizierbar ist.

An diese bundesgerichtliche Praxis hat sich das Bundesverwaltungsgericht angelehnt im Google-Streetview-Entscheid (BVerwG A-7040_2009.pdf). Mit Entscheid 1C_230/2011 vom 31.05.2012 heisst das Bundesgericht die Beschwerde von Google gegen den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichtes teilweise gut (vgl. Pressemitteilung des Bundesgerichtes).

Das Recht am eigenen Bild ist das Selbstbestimmungsrecht, das vor widerrechtlicher Verkörperung des eigenen Erscheinungsbildes schützt. Es umfasst zwei inhaltlich verschiedene Rechte: Einerseits einen Abwehranspruch gegen gezieltes, auf Identifikation und Ausforschung gerichtetes Erstellen von Fotos und Videoaufzeichnungen, andererseits ein Recht auf Selbstbestimmung des Menschen bezüglich der Veröffentlichung des eigenen Bildes“ (BVerwG A-7040_2009, E. 8.2.3 mit Verweisen, BGE 1C_230/2011, E. 8.2). Dieser Grundsatz muss jedenfalls dort gelten, wo Menschen fokussiert werden und nicht nur (zufälliges) Beiwerk sind. Das Bundesverwaltungsgericht geht allerdings noch weiter: „Schon allein die Aufnahme des Bildes kann eine Persönlichkeitsverletzung bedeuten. Die Veröffentlichung des individualisierenden, das heisst, nicht rein zufälligen Bildes ohne Einwilligung des Betroffenen stellt immer eine Persönlichkeitsverletzung dar“. Eine Verbreitung von Bilddaten müssen sich Abgebildete insbesondere nicht in einem ungünstigen, kompromittierenden Kontext gefallen lassen (vgl. BVerwG A-7040_2009, E. 8.2.3. mit Hinweisen).

Bei der Interessenabwägung kommt das Bundesgericht jedoch zu einem anderen Schluss als die Vorinstanz: "Grundsätzlich stellt jede unterbliebene Anonymisierung eines Gesichts oder eines anderen Identifikationsmerkmals eine Persönlichkeitsverletzung dar, soweit der Betroffene der Publikation des Bildes nicht zugestimmt hat und keine gesetzliche Rechtfertigung vorliegt (Art. 13 Abs. 1 DSG). [...] In Anbetracht der Tatsache, dass ein stark überwiegender Teil der Bilder vor der Publikation im Internet automatisch korrekt anonymisiert wird, erscheint es grundsätzlich vertretbar, dass die restlichen Anonymisierungen erst auf Anzeige hin manuell vorgenommen werden. Dies setzt allerdings voraus, dass die Benutzer gut erkennbar über die Widerspruchsmöglichkeit informiert werden und die zusätzlichen Anonymisierungen effizient und unbürokratisch herbeigeführt werden können. [...]" (BGE 1C_230/2011, E. 8.3). 

Die namentliche Identifikation ist nicht erforderlich: Der EDÖB hat im Verfahren gegen Google Streetview zu Recht die Auffassung vertreten, eine Persönlichkeitsverletzung setze nicht zwingend voraus, dass die verletzte Person durch ihren Namen identifizierbar sei. Bestimmbar im Sinne von Art. 3 lit.a DSGkönnten auch Personen sein, deren Namen der Bildbetrachter nicht kenne. Auch die „Umstände, unter denen die Rohdaten aufgenommen würden“, seien entscheidend (BVerwG A-7040_2009, E. 7.2.). Dazu das das Bundesgericht: "Die Rohbilder von Personen sowie Abbildungen, bei denen nach der automatischen Bearbeitung das Erkennen der Person möglich ist, sind somit als Personendaten zu qualifizieren. Dies gilt auch für Fahrzeugkennzeichen und Abbildungen von Häusern, Gärten und Höfen, da sich auch hier problemlos ein Personenbezug herstellen lässt." (BGE 1C_230/2011, E.6.5).

Die jüngste Gerichtspraxis des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte geht - zu Recht! - in die gleiche, restriktive Richtung. In seinem EGMR-Urteil No 1234/05 "Reklos&Davourlis c. Griechenland" CASE OF REKLOS AND DAVOURLIS v. Greece, hielt der Gerichtshof einstimmig fest, ein effektiver Schutz des Rechts am eigenen Bild setze voraus, dass die betroffene Person bereits bei der Aufnahme – und nicht erst einer späteren Veröffentlichung - zustimme (vgl. Medialex 1/2011, S. 39). Nur letztere Auffassung wird der rasanten Entwicklung der Informationstechnologie und der Datenverarbeitung gerecht. Allerdings ist der Vorbehalt anzubringen, dass sich Abgebildete eine Abbildung gefallen lassen müssen, wenn sie blosses zufälliges Beiwerk sind auf einem nicht verbreiteten, nur im Privatbereich dokumentierten Foto. Eine andere Auffassung wäre nicht sozialadäquat.

Im "Google"-Entscheid des Europäischen Gerichtshofes (EuGH C-131/12) ist in der Rechtssprechung ein weiterer Anker gesetzt worden. Google muss die Verlinkung auf weit zurückliegende (sachlich damals durchaus zutreffende) Texte aufheben, wenn dies zu einem unerträglichen und unzumutbaren Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Verlinkten führt. Es ging in diesem Entscheid um das ständige Wiederauffinden eines mehr als 10 Jahre zurückliegenden Betreibungsverfahrens eines spanischen Anwaltes. Bei Eingabe seines Namens in die Suchmaschine Google wurden den Internetnutzern Links zu zwei Seiten der Tageszeitung La Vanguardia vom 19. Januar bzw. 9. März 1998 angezeigt, die eine Anzeige enthielten, in der unter Nennung des Namens von Herrn Costeja González auf die Versteigerung eines Grundstücks im Zusammenhang mit einer wegen Forderungen der Sozialversicherung erfolgten Pfändung hingewiesen wurde.

Lesetipps und ausgewählte Gerichtsurteile

Ausgewählte Kapitel in diesem Buch: Bewerten im Internet: Bewertung oder Beschimpfung?Bashing und OutingRecht auf Vergessen, auf Richtigkeit in der Zeit, auf NachschreibungSchutz der AngehörigenCyber-Mobbing

Glaus&Partner Rechtsanwälte hat über viele Jahre zu besonderen Aspekten des Persönlichkeitsschutzes Gutachten und Publikationen verfasst. Die folgenden Links führen Sie zu wichtigen Themen und Publikationen:

 Ausgewählte Gerichtsentscheide: siehe auch Literatur, Quellen, Links zum Werberecht

  • BGE 5A_309/2013: Anspruch auf öffentliche Entschuldigung
  • BGE 5A_445/2010: nicht jede ungenaue Mitteilung stellt eine Persönlichkeitsverletzung dar.
  • BGE 127 III 481: Minelli-Entscheidung “Der Wilderer”. Änderung der Rechtsprechung zum Feststellungsinteresse. Bestätigung, dass Datenschutzgesetz auch auf Medien zur Anwendung kommt.
  • BGE 126 III 305 : Zur Persönlichkeitsverletzung durch die Presse bei Veröffentlichung von wahren bzw. unwahren Tatsachen, von Meinungsäusserungen, Kommentaren und Werturteilen (E. 4b).
  • BGE 137 I 209: Gerichtsberichterstattung über eine nicht öffentliche strafgerichtliche Hauptverhandlung. 
  • BGE 126 III 209: betreffend Urteilspublikation
  • BGE 1C_230/2011: betreffend Google Streetview

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