Letzte Aktualisierung: Juni 2018

Anonymität hat insbesondere in den neuen Medien einen ambivalenten Stellenwert. Einerseits bietet sie den kleinen Leuten Schutz im Kampf ums Überleben und für mehr Demokratie, andererseits verführt die Anonymität zu hemmungslosem Bashing und Schmähkritik (siehe Kapitel Eigenheiten 'neue Medien'). Die Folge ist dann eine Emotionalisierung im Wording, Personifizierung der Probleme, Stigmatisierung von Personen oder auch Personen-'Bashing' (vgl. Kapitel Bashing und 'Outing') statt institutioneller Kritik.

Wie bereits im Kapitel Medienrechtliche Freiheiten ausgeführt erwähnt Art. 17 BV zur Medienfreiheit explizit, dass Vorzensur verboten und anderseits das Redaktionsgeheimnis gewährleistet sei. Der Quellenschutz, konkretisiert in Art. 28a StGB/ Strafgesetzbuch, ist Teil der Medienfreiheit. Dieser Schutz ist auch im Zusammenhang mit einem Blog-Kommentar auf der Internetseite des Schweizer Fernsehens gewährleistet worden (vgl. BGE 136 IV 145). Dieser medienfreundliche Entscheid führt allerdings dazu, dass der Betroffene nicht dem Blogger Aug in Aug auf gleicher Höhe, sondern als David dem Goliath SF (oder einem anderen Medienhaus mit grosser "Kriegskasse") gegenübersteht. Die Rechtsdurchsetzung ist durch dieses Machtgefälle vielfach in Frage gestellt.

In seiner Stellungnahme Nr. 52/2011: Anonyme Online-Kommentare Stellungnahme des Schweizer Presserates vom 23.11.2011 stellt der Presserat fest:

"1. Medienunternehmen sind für sämtliche Inhalte verantwortlich, die sie auf ihren Online-Portalen veröffentlichen. Demgegenüber beschränkt sich die Verantwortung der Online-Redaktionen auf den redaktionellen Teil, die sich darauf beziehenden Kommentare und auf Diskussionsbeiträge in redaktionell moderierten Foren.

2. In der Regel sind Online-Kommentare zu zeichnen. 

3. In Ausnahmefällen, sofern der Autor eines Kommentars mit guten Gründen eine Beeinträchtigung seines Privatlebens, seiner persönlichen Integrität oder diejenige seiner Quellen befürchtet, ist es zulässig, ein Pseudonym zu verwenden, sofern der Redaktion der richtige Name bekannt ist.

4. Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit ist es unangemessen, bei Online-Diskussionsforen zu aktuellen Berichten und Sendungen, die möglichst rasche, unmittelbare und spontane Reaktionen ermöglichen sollen, auf einer Identifizierung zu bestehen. Allerdings ist durch eine redaktionelle Vorabmoderation zu verhindern, dass ehrverletzende oder rassistische Kommentare an die Öffentlichkeit gelangen.

5. Wie bei den herkömmlichen Leserbriefen sollten die Redaktionen auch bei Online-Kommentaren bei einer offensichtlichen Verletzung der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» redigierend eingreifen.

6. Die nachträgliche Kontrolle von Online-Kommentaren nach erfolgter Veröffentlichung ist mit der Berufsethik kaum vereinbar. Denn selbst wenn eine Redaktion einen missbräuchlichen Kommentar nachträglich löscht, ändert dies nichts an ihrer Verantwortung, für die – wenn auch nur vorübergehende – Verletzung der «Erklärung»."

Diesen Empfehlungen entsprechend verzichten einzelne Verlage auch auf ihren interaktiven Leserseiten auf Anonymität und Pseudonyme und überwachen regelmässig aufgeschaltete Texte und Bilder proaktiv.


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