Letzte Aktualisierung: Juni 2018 Abbildung 43 Schematische Darstellung der Beteiligten im Internet
![]() Abbildung 44 Lauterkeitsgrundsatz 1.8
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(Der vorliegende Beitrag beschränkt sich auf schweizerische Sachverhalte. Handelt es sich um einen Sachverhalt mit Auslandsbezug, ist die Rechtsanwendung komplexer und die Rechtsdurchsetzung oft schwierig!) auf dieser Seite: Wird im Internet kommuniziert, wirkt eine Vielzahl von Beteiligten mit - wie nachfolgende Abbildung exemplarisch (und vereinfacht) zeigt. Es stellt sich die Frage, wer in welchem Ausmass für unrechtmässige Äusserungen zur Verantwortung gezogen werden kann. Die Ausführungen basieren auf Schweizer Recht (allerdings stellt sich im Internet stets die Frage, ob die entsprechenden internationalen Sachverhalte überhaupt von einem Schweizer Gericht und nach Schweizer Recht zu beurteilen sind). Ein Beispiel aus der Werbebranche: Die Schweizer Firma X. lanciert einen trendigen alkoholhaltigen Partydrink und bewirbt diesen mit einem kurzen Video, welchen sie nicht nur auf ihrer Homepage zugänglich macht, sondern auch auf youtube lädt. Sodann bittet die Firma X. einige Schweizer Szeneclubs, das Video auf deren Webseiten zu verlinken. Angenommen, der Video sei als unzulässige Alkoholwerbung zu qualifizieren: wer ist verantwortlich? Haftung des „Uploaders“Die Firma X. als Uploader trägt in jedem Fall Verantwortung für ihre Inhalte. In der Werbung ist - unabhängig vom Medium - der Lauterkeitsgrundsatz 1.8 zu beachten. Danach haftet der Auftraggeber und der Berater für die Rechtmässigkeit der Werbeaussage. Verstösst - wie im Beispiel - der im Internet verbreitete Film gegen die Vorgaben des Alkoholgesetzes, tragen die Firma X. als Auftraggeberin und auch deren Werbeagentur die Verantwortung für diese Unrechtmässigkeit. » zu den Lauterkeitsgrundsätzen der Schweizerischen Lauterkeitskommission Haftung des „Downloaders“Der Downloader wird für das Ansehen eines Videofilms, der gegen das Alkoholgesetz verstösst, nicht haftbar. Auch nicht, wenn er einen persönlichkeitsverletzenden Beitrag liest. Und auch nicht – und das erstaunt vielleicht – wenn er ein Musikstück oder einen aktuellen Kinofilm herunterlädt (in der Schweiz!). Nach Schweizer Lehre und Rechtsprechung ist der reine Downloader für Urheberrechtsverletzungen (noch*) nicht haftbar, im Gegensatz zum Uploader (Download vs. Upload). *Es ist davon auszugehen , dass dieses Privileg in Zukunft fällt. In der Regel ist das Lesen/Abrufen von widerrechtlichem Inhalt nicht widerrechtlich. Ausnahmen dieser Regel sind unter anderem das Beschaffen/Besitzen harter Pornographie (Art. 197 Abs. 3bis StGB) oder Gewaltdarstellungen (Art. 135 Abs. 1bis StGB) über Internet. ProviderhaftungBetreffend die Providerhaftung herrscht(e) in der Schweiz Rechtsunsicherheit. Unbestritten war und ist, dass der Content-/Hostprovider bei Verschulden (ausservertraglich) haftet. Ein Verschulden ist insbesondere zu bejahen, wenn der Provider trotz substantiierten Hinweisen Dritter untätig bleibt. Bei moderierten Newsgroups und betreuten Seiten besteht nach hier vertretener Auffassung gar eine (vorsorgliche) Kontrollpflicht. Schliesslich ist in Bezug auf eigene sowie auch für „zu Eigen gemachte“ Inhalte der Provider als Verletzter/Uploader zu qualifizieren. Die Schweizer Rechtsprechung betreffend Providerhaftung ist (noch) spärlich. Zwei Urteile: Urteil 5A_792/2011: Eine Genfer Tageszeitung stellt Ihren Lesern eine Plattform für Blogs zur Verfügung. Ein Leser hatte nun auf „seinem“ Blog persönlichkeitsverletzende Äusserungen getätigt. Der Verletzte hat daraufhin die Genfer Tageszeitung (und nicht den Leser) ins Recht gefasst – mit Erfolg. Die Genfer Tageszeitung wurde gestützt auf Art. 28 ZGB (… jeder, der an der Verletzung mitwirkt …) zur Löschung des Beitrages verpflichtet. Das Bundesgericht hat mit diesem Urteil höchstrichterlich die Mitverantwortlichkeit der Provider bestätigt - dies im Gegensatz zum EU-Raum, wo Internet-Provider haftungsprivilegiert sind (E-Commerce-Richtlinie der EU ). Ob das Bundesgerichtsurteil 5A_792/2011 tatsächlich für Klärung sorgt, darf bezweifelt werden, ist es doch auf grosse Kritik gestossen. Auch das Bundesgericht selber hat festgestellt, dass der Gesetzgeber die aus der heutigen Rechtslage resultierende Haftungsproblematik angehen müsste (vgl auch: Bericht des Bundesrates zu Social Media, Oktober 2013). Dem Entscheid BGE 136 IV 145 lag folgender Sachverhalt zugrunde: Aufgrund einer Strafanzeige von X. führte die Staatsanwaltschaft ZG wegen Ehrverletzung und Missbrauchs einer Fernmeldeanlage eine Strafanzeige gegen Unbekannt. Unter anderem hatte eine Person einen (ehrverletzenden) Beitrag auf der Website des SF Schweizer Fernsehens als Kommentar zu einem Blog verbreitet. Dieser war mit "X." unterzeichnet. Die Staatsanwaltschaft forderte das SF Schweizer Fernsehen auf, der Polizei die Unterlagen zum erwähnten Blog-Kommentar herauszugeben (IP-Adresse des Kommentar-Erstellers, Datum und Zeitpunkt). Das SF Schweizer Fernsehen erhob gegen diese Editionsverfügung Beschwerde und berief sich auf den Quellenschutz im Sinne von Art. 28a StGB. Das Bundesgericht hiess die Beschwerde gut und SF musste die Identität von X nicht offenlegen. Für den Verletzten (bzw. vorliegend Staatsanwaltschaft) bedeutet dies, dass nun gegen SF Schweizer Fernsehen vorgegangen werden muss, gestützt auf Art. 28 StGB: Art. 28 Abs. 2 StGB Strafbarkeit der Medien: " Kann der Autor nicht ermittelt oder in der Schweiz nicht vor Gericht gestellt werden, so ist der verantwortliche Redaktor nach Art. 322bis StGB strafbar. Fehlt ein verantwortlicher Redaktor, so ist jene Person nach Artikel 322bis strafbar, die für die Veröffentlichung verantwortlich ist." Dieser medienfreundliche Entscheid führt dazu, dass Betroffene im Verfahren nicht dem Blogger gegenübersteht, sondern als David dem Goliath SF Schweizer Fernsehen (oder einem anderen Medienhaus mit grosser "Kriegskasse"). Durch dieses Machtgefälle ist die Rechtsdurchsetzung bisweilen in Frage gestellt. Den Accessprovider treffen sodann Auskunftspflichten gegenüber den Strafverfolgungsbehörden (Auskunftspflicht nach Art. 15 BÜBF/Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs). Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass auch im EU-Raum das Haftungsprivileg für Provider nicht unbeschränkt gilt: Mit Entscheid C-324/09 vom 12.07.2011 hat der EugH die Verantwortlichkeit der Anbieter von Online-Marktplätzen für Markenverletzungen durch deren Kunden unter bestimmten Voraussetzungen bejaht – trotz Haftungsprivilegien in Art. 14 der E-Commerce RL. Zu beurteilen war der Verkauf von Kosmetika und Parfums von L’Oreal über die Plattform eBay. Die Haftung wurde bejaht mit folgender Begründung:
Haftung des "Verlinkers"Auch beim Verlinker ist die Verantwortlichkeit bei eigenen oder „zu Eigen gemachten“ Inhalten zu bejahen. Ob Inhalte zu eigen gemacht sind, beurteilt sich aufgrund des Kontext/Motivs, der thematischen Verknüpfung sowie der Link-Methode. Erscheint in unserem Beispiel auf der Website eines Sportclubs ein Link mit der Beschriftung „this site is sponsored by“, dann ist die Verantwortlichkeit nach hier vertretener Auffassung zu verneinen, da a) nur ein Verweis auf den Sponsor beabsichtigt ist; b) keine thematische Verknüpfung zum alkoholhaltigen Partydrink erfolgt; c) der User zuerst den Link klicken muss, bevor der Film (auf der Seite der Firma X.) abläuft. Wenn hingegen der Szeneclub B. den Film direkt auf seiner Seite abspielt (den Film „zu Eigen macht“), mit z.B. dem Hinweis auf eine Spezialaktion an einem bestimmten Datum betreffend des trendigen Partydrinks, ist auch der Verlinker für den unrechtmässigen Film haftbar. Schwierige Rechtsdurchsetzung im InternetDie Rechtsdurchsetzung im Internet ist erschwert, insbesondere weil Verlautbarungen im Internet anonym verbreitet werden und weil bisweilen nicht klar ist, welche Behörde örtlich zuständig ist. Im Internet sind Sachverhalte oft grenzüberschreitend (vgl. Bericht des Bundesrates zu Social Media, Oktober 2013, S. 58 ff.). Dem trägt die neuere Rechtssprechung des EugH (EugH C509/09 und C-161/10) Rechnung: Die Opfer einer im Internet begangenen Persönlichkeitsverletzung können nach der können wegen des gesamten Schadens das Gericht ihres Wohnsitzmitgliedstaates anrufen. Im Urteil C-161/10 "Kylie Minogue" stellte der Gerichtshof fest, dass sich die Veröffentlichung von Inhalten auf einer Webseite von der gebietsabhängigen Verbreitung eines Druckerzeugnisses dadurch unterscheide, dass die Inhalte von einer unbestimmten Zahl von Internetnutzern überall auf der Welt unmittelbar abgerufen werden könnten (siehe Pressemitteilung EugH C509/09 und C-161/10). Die weltumspannende Verbreitung kann zum einen die Schwere der Verletzungen von Persönlichkeitsrechten erhöhen, und zum anderen ist es dadurch sehr schwierig, die Orte zu bestimmen, an denen sich der Schaden verwirklicht hat. Haftungsfragen: das Risiko der Agentur |